LESUNG am 22. Februar 2015 in der Ausstellung
Bildlegenden
Autorenlesung von Texten mit Pilar Baumeister und anderen Autoren
Zwei Schullesungen
Zwei Schullesungen (Paul-Martini-Schule & Integrierte Gesamtschule Bonn-Beul) im Rahmen der Buchmesse Migration 2013 im Bonn.
Kommentar von Frau Mika Wagner (Sozialreferentin):
"Lesungen von Pilar Baumeister an der Paul-Martini-Schule sowie an der integrierten Gesamtschule Bonn-Beuel"
„Dieses ewige Misstrauen...
Wann geht es zu Ende?
Und warum reden sie immer nur
von meiner Behinderung.
Ich kann es nicht mehr hören.
Die Menschen sind schlecht.“
„Oh, nein, nein!“ rufen die über 30 Zuhörerinnen und Zuhörer der Paul-Martini-Schule.
„Sie brachten mir das Singen bei,
die Poesie, die Kunst.
Einige (Familie und Freunde) hatten Mitleid
mit mir, weil ich so ohne Augen, Beine
oder Gehör leben muss.
Und wir weinten sogar tiefverbunden
Zusammen.
Die Menschen sind gut.“
„Oh, ja, ja!“ ruft das Publikum fröhlich. Pilar Baumeister beginnt ihre Lesungen mit der „Hymne der Behinderten“. Ein – wie sie es nennt – Mitmachgedicht. Hier rufen die Zuhörer abwechselnd „Oh nein“ und „Oh ja“. Bei einem anderen Gedicht, einer Reflexion über die Bedeutung von Auszeiten, erschallt auf Klopfsignal „Pause – Urlaub – Freizeit“. Das Mitmachen kommt gut an und sorgt für Heiterkeit im Publikum. Pilar Baumeister liest ihre Gedichte, Geschichten und Märchen souverän, mit warmer Stimme und Einfühlungsvermögen für ihr Publikum. Da geht es sehr häufig um das Leben mit der Behinderung, um tiefe Gefühle, Leben in einer neuen Heimat und um Deutschland und Spanien – „zwei Länder, die sich lieben“.
Die Kinder und Jugendlichen interessieren sich vor allem brennend für das Blind-Sein. Wie können Sie überhaupt lesen? Wie geht das mit dem Schreiben? Können Sie kochen? Wie benutzt man den Computer ohne Maus? Und wie merkt man, wenn man sich verschrieben hat? Immer wieder gibt es Fragen und auch wenn die Autorin es – wie im Gedicht geschrieben – so manchmal nicht mehr hören kann, spürt man hiervon heute nichts. Im Gegenteil: sie beantwortet mit viel Geduld und Humor alle Fragen. Sie weiß, dass viele der ihr heute zuhörenden Kinder selbst bereits Erfahrungen mit Krankheit und Behinderung gemacht haben und spricht ihnen Mut zu. Jeweils am Ende beider Veranstaltungen packt sie ihre Metalltafel mit Schablone und Papier aus und zeigt, wie das Braille-Schreiben geht. Beeindruckend rasch pikt sie das Alphabet und die Namen Anna, Yunus, Henri, Pauline, Frederik spiegelverkehrt in ein Papier. Dann wird dies umgedreht und die Kinder und Jugendlichen können ihre Namen fühlen.
Zuhörer und Zuhörerinnen gehen sehr erfüllt und bereichert aus der Lesung, haben viel Neues gehört und gelernt. Über das Leben als Blinde, Migrantin und als Mensch, der sich seine Gedanken um das Leben macht. Pilar Baumeisters warme Stimme hallt in den Ohren nach und auch ihre melodiöse Aussprache – wie es die Konrektorin der Paul-Martini-Schule auf den Punkt bringt: „Sie haben uns heute die deutsche Sprache auf eine neue, ganz besonders schöne Weise nahe gebracht“.
Dr. Pilar Baumeister, geborene Pilar Andreo y Vila in Barcelona, lebt seit 1975 in Deutschland. Sie hat Germanistik, Anglistik und Russisch studiert und als Lehrerin, Übersetzerin und Verwaltungsangestellte gearbeitet. Die Ausländerbeauftragte im Verband deutscher Schriftsteller NRW ist von Geburt an blind."
PROJEKT:
"Lyrikbrücken" in verschiedenen Städten Deutschlands mit blinden Dichtern aus Europa, ein Projekt von Bernd Kebelmann und Malgorzata Ploszewska, das in der Leipziger Buchmesse 2009 mit einer zehnsprachigen Anthologie kulminierte.
Hörbeispiele von Pilar Baumeister's Gedichten auf Deutsch und Spanisch sind dort zu finden:
Diese Anthologie wurde von der Dahlemer Verlagsanstalt veröffentlicht:
PROJEKT:
Der Verein "Blinde und sehbehinderte Schriftsteller und ihre Freunde E.V." wurde zusammen mit Pilar Baumeister und noch sechs Autor*innen 1992 gegründet. Er war bundesweit angelegt und zählte ungefähr 70 Mitglieder.
Berichte und Schilderungen - Dr. P. Baumeister: Viertes Treffen der blinden und sehbehinderten Schriftsteller vom 19. bis 22. November 1992 Verlauf und Programm des neugegründeten Vereins
Mein Bestreben war zu beweisen, dass blinde Menschen nicht nur musizieren, sondern auch literarisch relevant sein können, da Literatur und Sprache, anders als vorrangig visuelle Künste, uns ohne Einschränkung zugänglich sind. Bei allen individuellen Unterschieden und Niveaus in der Gestaltung der Texte wollte ich uns als Gruppe bekannt machen. Aber leider wurde der Verein nach einem sehr kurzem Leben aufgelöst.